In eigener Sache


Kommentarnummer: 1924

Heftnummer: 2800

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

Weitere Teile:

            



Vor mehr als vierzig Jahren war Die Spur durch Zeit und Raum von Clark Darlton der erste von mir gelesene RHODAN-Roman. Ich hatte damals einen 25-Hefte- Stapel gekauft, Band 15 war jener mit der kleinsten Nummer. Die übrigen Bände waren über die ersten hundert oder hundertfünfzig Hefte verstreut, sodass es unweigerlich beachtliche Lücken gab, die erst im Laufe der Zeit geschlossen wurden – zunächst durch weitere gekaufte 25er-Stapel, später durch gezieltes Suchen im winzigen Laden, der die Romane für Pfennig- oder Groschenbeträge anbot.
 
Rückwirkend betrachtet, ist es ziemlich müßig, darüber zu spekulieren, ob ein ganz anderer Erstleseband auf mich die gleiche Faszination gehabt hätte. Angesichts der ohnehin klaffenden Lücken war das Gesamtverständnis anfangs naturgemäß sowieso erschwert – Motto: »verstehe nur Bahnhof ...« –, aber genau das ließ das einmal geweckte Interesse »nach mehr« nicht abebben. Fest steht, es war nun mal PR 15 ... und dieser Roman wartete gleich mit einer ganzen faszinierenden Palette auf, lieferte quasi in einem Band all das, was das Science- Fiction-Herz begehrte: riesige Kugelraumer, Hyperraum für überlichtschnelle Transitionen und Versetzungen per Transmitter, paranormal Begabte des Mutantenkorps, Atlantis, Galaktisches Rätsel rings um die Suche nach Unsterblichkeit, Zeitreise in die Vergangenheit per »Zeitumformer« ...
 
Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich vor allem mit letztem Punkt noch etwas mehr. Mit Zeitreisen verbindet sich doch unweigerlich die Frage nach der möglichen Gefahr von gravierenden Veränderungen in der erreichten Vergangen- heit, die bei erfolgreicher Umsetzung zu paradoxen Situationen führen würden – in PR 15 durch folgenden Dialog zwischen Rhodan und Crest auch ohne dezidierte Nennung des berühmt-berüchtigten »Großvater-Paradoxons« auf den Punkt gebracht: »Sie versuchen, die Zukunft zu beeinflussen.«
»Nein«, schüttelte Crest den Kopf. »Ich schaffe nur die Voraussetzung dafür, dass wir in zehntausend Jahren auf der Venus die Antworten auf unsere Fragen vorfinden werden.« – Später unterstrichen durch Crests Überlegung: War das, was er jetzt tat, nicht eine unumgängliche Notwendigkeit, um das überhaupt erst möglich zu machen, was zehntausend Jahre später geschehen würde, ja, bereits geschehen war?
 
Die in PR 15 geschilderte Zeitreise, bei der die Begegnung mit Kerlon dazu führte, dass er vom Wega- ins Solsystem weiterreiste und so überhaupt erst durch den Hinweis »aus der Zukunft« die Grundlage des Venus-Stützpunkts schuf, war nicht die letzte im Perryversum, legte aber die Grundlage, wie mit der Gefahr von Zeitparadoxa umgegangen werden kann. Sehr viel später wurde das in den PR-Romanen mit der vereinfachten Formel »Es geschieht, weil es geschah« umschrieben – als Bezeichnung für eine geschlossene Zeitschleife, in der genau das in der jeweiligen Relativ-Gegenwart verwirklicht wird, was aus der Relativ-Zukunft als Relativ-Vergangenheit bekannt ist, verbunden mit dem Hinweis, dass sich unter normalen Umständen stets die »Trägheit der Zeit« als stärker erweist. (Dieser Satz wurde den Algorrian als »vom Moralischen Kode gestützte temporal-stabile Universalsequenzen« in den Mund gelegt.)
 
Unter dem Gesichtspunkt von alternativen Zeitströmen beziehungsweise entsprechenden Paralleluniversen, die mit der Zeit ebenso wie Pararealitäten und vielem anderen mehr in den RHODAN-Kosmos Einzug hielten, bedeutet das in letzter Konsequenz allerdings auch, dass alles Denkbare irgendwo im Multiversum realisiert ist. Es hängt also vom Beobachter ab, was er nun als »seine Zeit«/seine Welt oder Realität ansieht und was nicht. Entsprechend sind natürlich sämtliche abweichenden Möglichkeiten alternativer und sonstiger Entwicklungen »irgendwo« im Spektrum der einander parallelen Universen des Multiversums realisiert, wenngleich im Allgemeinen diese im RHODAN-Kosmos die Möglichkeiten einer »normalen Zeitmaschine« deutlich übersteigen und im Normalfall nicht erreicht werden ...
 
So reizvoll es also für einen Autor sein mag, mit all diesen Möglichkeiten tüchtig »herumzuspielen«, so problematisch ist die tatsächliche Umsetzung: Einerseits gefällt vielen Lesern schon die mit Zeitschleifen verbundene »totale Determination« nicht, andererseits würden gerade diese Leser vermutlich mindestens genauso lautstark aufbrüllen, würden wir wirklich die Veränderung durch ein gelungenes Zeitparadoxon schildern, weil dadurch die Handlung ganzer Zyklen (um nicht zu sagen das bisherige Perryversum!) »in die Tonne« befördert würde. Ähnliches betrifft vor dem Hintergrund des Multiversums das unbegrenzte Spektrum der »totalen Offenheit«, käme dann doch der Vorwurf von »totaler Beliebigkeit« (»alles ist ja möglich«) …


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