Gholdorodyns Kran (I)


Kommentarnummer: 1909

Heftnummer: 2785

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Die Kommunikation mit Keloskern ist für normale Lebewesen alles andere als einfach. Es ist kein Plaudern, zumal sie zum Abstrahieren und Mathematisieren neigen und hierbei Normalwesen mit ihren Äußerungen leicht überfordern. Der keloskische Blick auf die Natur ist nun mal ein völlig anderer als bei gewöhnlichen Wesen. Kelosker begreifen die Welt als unendliches Konglomerat aus Matrizes, ein gigantisches Formelwerk, pure Mathematik. Hintergrund hierbei ist natürlich, dass sie in der Lage sind, fünf- und sechsdimensionale Zusammenhänge einwandfrei zu erkennen und zu definieren und rechnerisch in die Bereiche der siebten Dimension vordringen können. Kaum weniger prägend ist, dass sie als Abstrakt-Mathematiker der siebten Dimension zwangsläufig einen natürlichen Sinn für hyperphysikalische Phänomene haben.
 
Gholdorodyn gilt im Vergleich zu seinen Artgenossen als »geistig behindert« und spricht – im Unterschied zu den keloskischen »Mehr- oder Unendlichdenkern« – die Sprache der »Niederbewussten und Spurdenker«. Sonderlich einfacher ist die Kommunikation mit ihm letztlich aber auch nicht. Das zeigte sich schon, als er seinen »Kran« vorstellte und beschrieb und seine Erfindung als »kleine Bastelei« bezeichnete: Nun, eben ein Ding, das einen packt und von hüben nach drüben befördert. Das müsste selbst ein Spurdenker verstehen. (...) Ein etwas plumpes Gerät, ich weiß, und eine Spur verrückt. Schließlich bin ich ein wenig wirr im Kopf, und meine Vorstellungen, was die sexta- und septadimensionalen Strukturen angeht, sind ein bisschen oh, là, là. Aber eigentlich müsste es funktionieren. (PR 2775)
 
Rhodan & Co. wurde beim ersten Einsatz – dem mit dem Transport (der Transmission) selbst verbundenen Goldenen Schlag, wie Gholdorodyn es nannte – sofort klar, dass es sich bei dem »Kran« unzweifelhaft um einen Fiktivtransmitter handelte, und zwar einen außerordentlich weit entwickelten, da er sich selbst mittransportierte. Der Kelosker war, als er vor dem Erkennen seiner »Behinderung« eine Weile lang im Ghespaurem gearbeitet hatte, dort die Idee einer drolligen Nutzanwendung einer sextadimensionalen Formel gekommen, die – wie soll ich sagen? – aus der Zukunft herübergeleuchtet hat. Präziser kann ich es leider nicht ausdrücken. (PR 2775) Praktisch umgesetzt, hatte das Gerät zunächst nur eine Reichweite von wenigen Tausend Kilometern – unter anderem, so Gholdorodyns Begründung, weil seine handwerklichen Möglichkeiten ein bisschen beschränkt gewesen seien. Dieses Problem gilt letztlich für alle Kelosker – um technische Geräte mit ihren Greiflappen überhaupt handhaben zu können, müssen sie mit besonders einfachen Bedienungsinstrumenten ausgestattet sein.
 
Mit anderen Worten: Auf theoretischem Gebiet sind die Kelosker Genies – für die Umsetzung in die Praxis sind sie jedoch auf die technischen Möglichkeiten anderer Völker angewiesen, die häufig »keinen blassen Dunst« von dem haben, was sie aufgrund der »Baupläne« und keloskischen Anweisungen herstellen, einschließlich robotischer Mikrotechnik mit »grobsensorischer Steuerung«, damit sie von Keloskern gehandhabt werden kann. Das schließt auch in Zeiten der erhöhten Hyperimpedanz durchaus Dinge wie Formenergie, Materieprojektionen und dergleichen mehr ein, sodass »keloskische Technik« innerhalb ihrer Hülle selten materiell stabil ist, sondern jedes Detail rein form- und hyperenergetisch ausgebildet ist.
 
Das gilt auch für den Kran. »Eingefaltet« bleibt von dem autoportablen Fiktivtransmitter nur eine einzige, kaum einen Meter durchmessende und schwebefähige Kugel übrig, die durchaus nochmals »verkleinert« werden kann, sofern – genau wie für den inzwischen zur Reichweitensteigerung integrierten Daellian-Meiler – vom Kran erstellte in den Hyperraum reichende Raumzeitnischen genutzt werden.
 
Entfaltet wird daraus ein nicht ganz ebenmäßig runder zylindrischer Sockel, kaum drei Meter im Durchmesser, etwa 60 Zentimeter dick, zusammengesetzt aus diversen Modulen. Hinzu kommen die über der Plattform angeordneten schwebenden Perlen. Letztere sind elfenbeinfarben und erbsen- bis faustgroß. Die Ketten, Girlanden, Spiralen, Brücken bilden eine ätherische, ästhetische Konstruktion, wie das Straßennetz einer schwerelosen Stadt in den Wolken.
 
Bei Aktivierung des Krans leuchten kleine Lichter auf, winzige, goldene Leuchterscheinungen, die größer werden, sich verbinden, bis sie eine Kuppel bilden, die die Konstruktion selbst wie die unter ihnen Stehenden umschließt. Beim Goldenen Schlag wird die Umgebung für einen Moment in intensives Gold getaucht – und verändert sich allmählich. Es wirkt, als wachse aus der einen Welt eine andere, nämlich die der Zielumgebung.


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