Ritter-Mythos (III)


Kommentarnummer: 1578

Heftnummer: 2454

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

Weitere Teile:

            



Wie es bei den Rittern früherer Wächterorden war, lässt sich mangels genauerer Daten nicht sagen - für jene, die auf Khrat ihre Weihe erhielten, galt jedoch, dass es Angehörige vieler verschiedener Völker waren, die meist als Einzelkämpfer agierten. Zwar erhielten sie häufig ein umfangreiches Instrumentarium als Unterstützung, bedienten sich Techniklieferanten wie den Erranten und ähnlichen Völkern und konnten nach Belieben Orbiter als direkte Vertraute und »Generäle« ernennen. Aber letztlich standen sie ziemlich allein den Chaostruppen in Gestalt der Terminalen Kolonne TRAITOR gegenüber. Überaus bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Dekalog der Elemente - inzwischen als eine Art »schnelle Eingreiftruppe« TRAITORS eingeschätzt - als ein dem Wächterorden vergleichbares Pedant der Chaosmächte betrachtet wurde.
 
In der Blütezeit des Ordens waren die Ritter »vom alten Schlag« zweifellos eine wichtige Hilfe der Ordnungsmächte, aber für die Lösung ursächlicher Probleme waren sie weder geeignet noch vorgesehen und mussten in diesem Sinne nahezu zwangsläufig versagen. Zu beachten ist hierbei auch, dass das Verhältnis der Ritter zu den Kosmokraten und ihrer Beauftragten von jeher eher als angespannt zu bezeichnen war. Der Wächterorden wurde zwar mithilfe der Ordnungsmächte gegründet, es gab auch deren Unterstützung und immer wieder direkte Aufträge. Doch die auf Individualität und Eigenständigkeit bedachten Ritter bewahrten sich stets ein gehöriges Maß Unabhängigkeit, so dass direkten Beauftragten und Boten der Kosmokraten meist mit einer gehörigen Portion Misstrauen begegnet wurde.
 
Bei genauerer Betrachtung lässt sich sogar sagen, dass die Ritter der Tiefe nie zu direkten Handlangern oder gar Dienern der Ordnungsmächte wurden, sondern im Sinne ihrer eigenen Moral und Ethik agierten - was sich nicht zuletzt darin äußerte, dass ihr Eingreifen nicht zwangsläufig gegen die Aktivitäten der Chaosmächte gerichtet war, sondern in einem viel allgemeineren Sinn gegen alle als negativ eingeschätzten Entwicklungen. Es gehört zweifellos zur Tragik der Geschichte, dass diese Eigenständigkeit in den Augen Außenstehender bestenfalls am Rande wahrgenommen wurde, während der Wächterorden tatsächlich auf deutlich breiterer Basis agierte. Wie in vielen anderen Fällen ebenfalls - ob bei den Algorrian, Porleytern, Baolin-Nda oder wie sie auch immer hießen -, wurden die Ritter von den Kosmokraten und deren Beauftragten benutzt. Fähigkeiten, Wissen, die moralische Integrität und letztlich der klangvolle Name des Wächterordens wurden missbraucht - und als sich die Schwierigkeiten und internen Probleme häuften, wurden die Ritter wie eine heiße Kartoffel fallengelassen.
 
Bis zu einem gewissen Grad muss natürlich eine Mitschuld bei den Rittern selbst und ihrem Umfeld einbezogen werden. Ihre Zahl war zu klein, die Zahl der Krisenherde zu groß, über die Jahrhunderttausende erstarrten überdies Riten und das auf Khrat verselbstständigte Procedere. Um etwa 1,3 Millionen Jahre vor Christus wurden beispielsweise keine oder nur noch wenige Erwachsene zum Ritter geweiht. Stattdessen wurden Babys und Kleinkinder »ehrwürdiger Familien« ausgewählt. Gut gemeint ist nun mal meist das Gegenteil von gut - eine ursprünglich als lange Ausbildung und Erziehung zum selbstlosen Ritterdienst gedachte Phase der Ritter barg in sich, angesichts Familienklüngel und damit verbundener Auswüchse, den Keim des Niedergangs. Höhepunkt der Entwicklung war dann die Affäre um die Weihe des falschen Igsorian von Veylt.
 
Auf dem Planeten Schusc in Norgan-Tur bat Tschan, das Oberhaupt einer ehrgeizigen Familie, die er auf dem Markt von Gry auf Kartlec zusammengekauft hatte, einen Sterneneremiten, den Sikr Lussmann, seinem Kaufsohn Harden Coonor die Chance zu geben, Ritter der Tiefe zu werden. Lussmann ermöglichte es der Familie, nach Khrat zu gelangen. Dort wurde der einjährige Igsorian, Sohn des Richters Parcus von Veylt vom Planeten Sarcon im Dryva-System, der im Dom Kesdschan zum Ritter der Tiefe geweiht werden sollte, heimlich gegen Harden Coonor ausgetauscht. Aus Reue gab der Sikr einen Hinweis auf die Entführung Igsorians von Veylt, doch der Zeremonienmeister weigerte sich, die Feierlichkeit zu unterbrechen, um das Vertrauen der Bewohner Norgan-Turs in den Ritterorden nicht zu gefährden. Im Dom übernahm Harden Coonor so die Rolle Igsorians von Veylt, während dieser unter dem Namen Samkar bei Lussmann aufwuchs [PR 969, 970).
 
Nach diesen Ereignissen galt der Orden in den Augen der Hohen Mächte »als pervertiert«. Ritterweihen fanden in der Folgezeit kaum noch statt, vermehrt setzten die Kosmokraten auf ganz andere Helfer, Boten und Beauftragte - meist pure Technokraten


Alle Seiten, Datenbanken und Scripte © PR & Atlan Materiequelle (1997 - 2019)