Hä? Was war das? Ein Wunschtraum Reginald Bulls? Eine reißerische Trivid-Sendung, in der die hoffnungslose Unterlegenheit der Terraner zu Propagandazwecken in einen Sieg verwandelt wird? Eine Pararealität? Die Parodie eines Perry Rhodan-Romans?
Jetzt nochmal ganz langsam zum Mitschreiben. Die Sayporaner dienen QIN SHI. Solche wie Chourtaird, die etwas gegen die Entscheidungen der Akademie für Logistik einzuwenden haben, haben nichts zu melden. Die Sayporaner haben einen unfassbaren Aufwand betrieben, um Terra ins Weltenkranz-System einzugliedern: Entführung des Solsystems in ein Mini-Universum, Vorbereitung des Transfers eines kompletten Planeten, Neuformatierung der Jugendlichen, heimliche Verlegung zehntausender Dosanthi-Raumer nach Neptun, Ausrottung der restlichen Menschheit durch QIN SHI. QIN SHI betrachtet die Terraner bestenfalls als Snack, schlimmstenfalls als lästige Gegner, die vernichtet werden müssen. Das alles wird vermutlich schon seit Jahren in aller Heimlichkeit vorbereitet. Jetzt ist der Zeitpunkt zum Losschlagen gekommen. Gnadenlos vernichten die Dosanthi alles, was ihnen im Weg steht. Dann sagt Anicee Ybarri einfach nur "STOP!" und alles steht still. Nicht nur das - jetzt haben die Terraner die schönste Gelegenheit, um zum Gegenschlag auszuholen, was Reginald Bull auch prompt in Angriff nimmt.
Sind die denn von allen guten Geistern verlassen?
Welche Autorität hat Anicee Ybarri gegenüber Paitäcc? Gar keine! Paitäcc ist immerhin der designierte nächste Dekan der Akademie für Logistik, also der Nachfolger des Haupt-Drahtziehers. Er ist doch derjenige, der den Plan des jetzigen Dekans verwirklichen soll, er hätte Paichander zu gehorchen! Trotzdem befolgt er Anicees Anweisung sofort, ohne auch nur den Hauch eines Widerspruchs, als hätte er nur auf diesen Befehl gewartet. Was wird denn nun aus dem ganzen schönen teuflischen Plan und der Versetzung Terras ins Weltenkranz-System? Alle Sayporaner und Dosanthi im Solsystem sind plötzlich ganz friedlich und scheinen jetzt rein gar keine Rolle mehr zu spielen. Ja, was zum Teufel sollte dann der ganze Aufwand?
Die spinnen, die Sayporaner!
Aber wenn es nur das wäre. Der Roman besteht größtenteils aus dem für die Handlung völlig irrelevanten Herumgehampel eines von Rya Pascoe hergestellten Kunstwesens, der pessimistischen Weltanschauung Callis Varros und der breitgetretenen Schilderung diverser schlimmer Erinnerungen irgendwelcher Leute, die unter dem ARCHETIM-Schock leiden. Tränen, Trauer, Verzweiflung, alles ganz furchtbar schröcklich. Diese Passagen kann man nur durch Querlesen ertragen.
Natürlich haben die Terraner nach unzähligen gleichartigen Erfahrungen immer noch nicht dazugelernt. Roboter und Positroniken werden einfach nicht konsequent eingesetzt, so dass die Kampfschiffe hilflos sind, sobald ihre menschliche Besatzung ausfällt. Als ob ein Schwerer Kreuzer einen Teil seiner Schlagfähigkeit einbüßen würde, wenn er nicht von Menschen, sondern von einer Positronik befehligt wird! Ich will jetzt gar nicht alle Beispiele der letzten Jahre auflisten, in denen superschlaue terranische Positroniken in die Handlung eingebaut wurden, die ganz eigenständig agieren konnten. Was spricht dagegen, den Computern die Kontrolle zu überlassen, sobald feststeht, dass die Besatzung nicht mehr handlungsfähig ist? Der Kommandant hätte mit dem Rest klaren Denkvermögens sogar einen entsprechenden Befehl erteilen können. Wenn ein paar tausend Schlachtschiffe der Heimatflotte plus PRAETORIA damit anfangen würden, aus allen Rohren auf die Zapfenraumer zu schießen, dann wäre es völlig egal, wer das Knöpfchen drückt: Der Waffenleitoffizier oder die Positronik. Die Dosanthi hätten in beiden Fällen keine Chance. Und jetzt soll mir keiner mit der dämlichsten Ausrede der Welt kommen, eine Positronik könne niemals so "kreativ" denken wie ein Mensch. Kreativität dürfte in einer Materialschlacht wie der, die sich im Solsystem angebahnt hat, eine weit geringere Rolle spielen als schiere Feuerkraft.
Und zu schlechter Letzt: Was bitte ist denn aus diesem geheimnisvollen Siegel geworden, durch das ARCHETIM in der Sonne festgehalten wird? Hat sich das Ding von selbst aufgelöst, habe ich etwas überlesen oder haben die Autoren es ganz einfach vergessen?
Romane wie dieser verderben mir noch den Spaß an der einzigen wirklich guten Handlungsebene dieses Zyklus.
Johannes Kreis 03.02.2013
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Sextadimblase
Am 28. November 1469 NGZ, 4.22 Uhr Terrania-Standardzeit, erreichten 48 je 18 Kilometer durchmessende, an bläuliche Kristall-Spiegelkugeln erinnernde Objekte das Solsystem. Sie bildeten entlang eines etwa 16 Milliarden Kilometer durchmessenden Kreises auf der Ebene der Ekliptik die Eckpunkte eines regelmäßigen 48-Ecks und erwiesen sich als Projektionsmaschinerie einer systemumspannenden Sextadimblase. Die riesigen Kristallkugeln standen ursprünglich zwar im Dienst der negativ-parasitären Superintelligenz QIN SHI – oder ihren Hilfsvölkern in Chanda –, aber Mitglieder von Delorians »Bund der Sternwürdigen« haben sie in seinem Auftrag gekapert und für die neue Aufgabe umfunktioniert.
Delorians Angaben blieben vage, aus Chanda sind uns solche Kristallkugeln jedoch durchaus bekannt und kamen hier beim Angriff auf die sich umgruppierende BASIS bei der Werft APERAS KOKKAIA zum Einsatz. Hierbei erwies sich, dass es sich bei den Gebilden nicht nur um beachtliche Ansammlungen von Chanda-Kristallen aller Varianten von Ramol-0 bis zu den hochwertigen Ramol-4 handelt, sondern ebenso um mobile Versionen riesiger Transitparketts, die für den raschen Transport auch großer Objekte sorgen können. Zum Dritten besteht ein Teil der Kristallkugeln aus programmierbaren Nanomaschinen, die quasi beliebig eingesetzt werden können.
Über diese – zweifellos weiterhin vorhandenen und funktionstüchtigen – Aspekte hinaus gab es bei den 48 Kristallkugeln eine Anpassung für die neue Aufgabe; Delorian wörtlich: Sie wurden mittels Rohlingen modifiziert, hochwertige Technik, die mir von der Stadt Aures im Rahmen des Vertrages von Sanhaba zur Verfügung gestellt worden ist. Durch diese Modifizierung sind sie in der Lage, das gesamte Solsystem in eine Sextadimblase zu hüllen – ähnlich dem Sextadimschleier, den ihr vom Stardust-System kennt. (PR 2658)
Durch den Verweis auf das Stardust-System lässt sich das grundlegende Arbeitsprinzip ableiten. Hier wie dort ist es eine undurchdringliche »Barriere«, bei der keine »normalen« fünfdimensionalen hyperenergetischen Einflüsse zur Wirkung kommen, sondern »Sextadim-Effekte im weitesten Sinne«. Diese können als einziges Merkmal durch eine schwache sechsdimensionale Streuemission erkannt werden, welche von den normalen Messgeräten zwar als solche erfasst werden, jedoch nicht genauer einzuordnen sind. Versuchen Raumschiffe Richtung Solsystem vorzustoßen, erfolgt zunächst die Unterbrechung des Überlichtfluges, gefolgt von einem auch die Sublicht-Fortbewegung betreffenden Effekt – ganz unabhängig davon, ob nun Hightech-Triebwerke oder primitive Chemoraketen eingesetzt werden. Unter dem Strich wirkt der Vorgang fast so, als rase das Schiff in einen »watteartigen Widerstand«, der sich mehr und mehr »verfestigt« und somit zur Abbremsung führt.
Wird dennoch versucht, weiter zu beschleunigen, droht eine Überlastung der Triebwerke – im Extrem bis zur Explosion! Aber auch ein »sanftes« Vordringen stößt an Grenzen, denn ab einem gewissen Punkt lässt sich das Schiff gar nicht mehr bewegen, sondern hängt am Rand der »Barriere« fest. Selbst eine Umkehr ist nur unter größten Schwierigkeiten möglich, denn der »verfestigte« Widerstand der Barriere stoppt das Schiff nicht nur, sondern bannt es quasi an die einmal erreichte Position. Von hier aus ist eine Umkehr nur mit der Minimalgeschwindigkeit von wenigen Zentimetern pro Sekunde möglich.
Nichts kann die Barriere der Sextadimblase durchdringen. Ortungen durch diese Wand sind unmöglich, Raumflüge sowieso, Waffenwirkungen bleiben ohne durchschlagenden Effekt, sondern werden ebenso wie materielle Objekte abgewehrt. Für die Passage von Raumschiffen und dergleichen werden Strukturlücken oder -schleusen geschaltet; Ähnliches betrifft die Kommunikation mittels Normal- und Hyperfunk.
Den bisherigen Erfahrungen nach ist es durchaus angebracht, bei Aussagen Delorians vorsichtig zu sein – sofern er überhaupt Konkretes von sich gibt. Im Fall der Sextadimblase dürfte jedoch klar sein, dass er mit den »gekaperten« Kristallkugeln keineswegs nur in letzter Minute einen Schutz für das Solsystem aus dem Hut gezaubert hat. Für ihn verbinden sich mit diesen Gebilden noch ganz andere Pläne. Welche das genau sind, kann derzeit bestenfalls vermutet werden.
Aufmerken lassen sollte allerdings die uns keineswegs unbekannte Zahl 48, die immerhin der Zahl der »Blütenblätter der Zeitrose« des BOTNETZES entspricht. Und genau dieses wiederum gehört zu den für die weiteren Pläne »notwendigen Bestandteilen«, wie wir inzwischen ja wissen …
Rainer Castor
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