Introvertiert-grenzenlos …


Kommentarnummer: 1923

Heftnummer: 2799

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Hauchdünne, dunkelsilberne Fäden gehören zu einem feinen Gespinst, das sich durch das gesamte Richterschiff zieht – mal frei schwebend durch Räume, mal als Teil der Wände. Als der Kelosker Gholdorodyn erstmals mit den Fäden konfrontiert wurde, umschrieb er sie als mehrdimensional undimensional und versicherte, dass ihnen keine materielle oder energetische Existenz zukomme. Spürt ihr den Sogdruck? (...) Die still stehende, unaufhörliche Wendung, die von dem Gebilde ausgeht? Oder eben nicht ausgeht? Seine diskoordinierte Verhältnishaftigkeit? (PR 2798)
 
Der von Gholdorodyn befragte Toloceste Aus der Zeitreuse lieferte kaum ver- ständliche Gedankenbilder, die Gucky orakelhaft übersetzte: Wie wunderbar es schwingt, wenn das multiplikativ Inverse sein Dasein verliert und der Morgen sich mit dem Abend verschränkt. Synkavernen vereinen das Jetzt mit dem Immerdar. Von dem Kelosker wurde das so interpretiert, dass im Leib der CHUVANC eine künstliche Dimension existiert, die von außen nur in diesen seltsamen Fäden sichtbar wird. Eine Dimension Null-Minus-Eins, wenn ihr mir das Wortspiel verzeiht. (PR 2798)
 
Vergleichbar den Kosmogloben sind die Fäden sicht-, jedoch nicht mit normalen Mitteln anmessbar. Letztlich sind sie also »nur« der wahrnehmbare Schatten eines übergeordneten Ereignisses beziehungsweise Abdruck eines hyperphysikalischen Phänomens. Aber eins, das der Toloceste als introvertiert grenzenlos umschrieb – im Inneren quasi unbegrenzt groß, aber aus der normalen Sicht als Faden in sich gekehrt. Eingelagert in diese Synkavernen sind Hallen und Hangars von be- achtlicher »innerer« Ausdehnung. Das gilt auch für die speziellen Triebwerke, mit denen das Schiff die künstliche Dimension Richtung Jenzeitige Lande befliegt, die Trans-Chronalen Treiber. Insbesondere Letztere beanspruchen laut Gholdorodyn sogar sehr viel mehr – oder, wie man es richtigerweise nennen müsste: paradox- weniger – introvertierten Raum als das gesamte Richterschiff selbst.
 
Bei aller verständlichen Verblüffung – neu ist eine solche Möglichkeit, durch Einlagerung in Miniaturuniversen, Raumzeitnischen und dergleichen quasi »Raum neben dem Raum« zu schaffen, keineswegs. Bis zu einem gewissen Grad war den Galaktikern vor dem Hyperimpedanz-Schock sogar Ähnliches möglich: Es gab Auslagerungen in Paratronblasen, die permanent im Hyperraum stabilisiert wurden, Vergleichbares durch entsprechende Halbraumblasen sowie die ausgelagerten Zonen für hyperenergetische Feldstrukturen in eigenständige Miniaturuniversen des Hyperraums bei den Syntroniken.
 
Besonders markant war die sogenannte Lautareen-Methode, durch die ausgelagerte Aggregate mit einem bedeutend größeren Volumen im Standard- universum nur einen winzigen Rest behielten, der letztlich als die sprichwörtliche »Spitze des Eisbergs« zu erkennen war. Lautareen war eine Projektleiterin der Baolin-Nda, die auf dem Planeten Onzhous wirkte. Mithilfe der von ihr entwickelten Methode konnten technische Geräte in ein Separat-Universum verschoben werden. Länge, Breite und Höhe waren darin völlig anders definiert als im Standard- universum; sogar die Zeit konnte »verzerrt« werden. Ein Aggregat, »eigentlich« so groß wie ein Hochhaus oder gar ein Berg, war auf diese Weise im Standard- universum so klein wie eine Schachtel oder gar wie ein Bakterium. Genauer: es erschien so, denn innerhalb des Miniuniversums hatte es ja die alten Maße.
 
Eine Extremform solcher Auslagerungsmöglichkeiten war unzweifelhaft jene der an Bord der Kosmischen Fabriken wie MATERIA eingesetzten Transdimensionalen Zustandswandler und ihrer »Mikrobauweise mit extremer Packungsdichte«. Feld- energetisch verankerte, etwa halutergroße Ellipsoid-Kokons aus Formenergie in Gestalt einer stabilisierten Materieprojektion bargen auf den ersten Blick winzige Körper. In diesen äußerlich nur fingerhutförmigen und -großen Aufbewahrungs- behältern, über deren wahre Ausdehnung nichts Genaues bekannt ist, befand sich der von den Kosmischen Fabriken gesammelte Ultimate Stoff (PR 1973).
 
Die gewonnene Menge lag bei fünfzig Gramm pro tausend Jahre. Ein Großteil wurde hinter die Materiequellen geschickt, weil dort dieser Stoff aus physikalischen Gründen nicht hergestellt werden konnte. Aber manchmal wurden kleine Kontingente auch im Normalraum verbraucht. Der Ultimate Stoff wurde von den Kosmischen Fabriken eingefangen, bevor er zu Materie werden konnte. Nur in diesem Stadium, bevor das erste Zeitquant griff, konnte er konserviert werden. Das Verfahren gelang so gut wie nie. Um jedes Elementarteilchen wurde gekämpft, selbst um das geringste. Deshalb gab es den Ultimaten Stoff so selten …


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