Situation im Solsystem (2)


Kommentarnummer: 1758

Heftnummer: 2634

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

Weitere Teile:

            



Die Produktion weiterer Kunstsonnen läuft auf Hochtouren; neue sollen bald die bereits stationierten ergänzen. Vom Grundsatz her können sie den Komplettausfall der Sonne leicht kompensieren – Beispiele hierfür sind die Hundertsonnenwelt im Leerraum oder die seinerzeitige Versetzung von Terra und Luna in den Mahlstrom der Sterne. Ziel des Hunderttausend-Sonnen-Projekts ist vor allem, dass die Fotosynthese an Land wie in den Meeren – wenngleich vorläufig auf eingeschränktem Niveau – in Gang gehalten wird, sonst bricht die Nahrungskette ab.
 
Nachteil der auf den Planeten oder in ihrem Orbit stationierten Raumer der LFT-Flotte ist selbstverständlich, dass die solare Zivilisation bis zu einem gewissen Grad »entwaffnet« ist, weil viele Schiffe gebunden sind. Die Zahl der im Solsystem patrouillierenden Raumer ist deutlich reduziert – ein Start der momentan Gebundenen wäre zwar jederzeit möglich, hätte vorläufig allerdings negative Auswirkungen auf die Biosphärenerhaltung von Venus, Mars und Terra ...
 
Unabhängig davon gilt die allgemeine Versorgung dennoch als weitgehend gesichert. Immerhin wurde die Notausstattung aller Städte bereits in Vorbereitung auf die Erhöhung der Hyperimpedanz deutlich verbessert, und die aus der TRAITOR-Belagerung gezogenen Konsequenzen haben in dieser Hinsicht abermals eine Verbesserung beschert.
 
Verdeutlicht am Beispiel Terrania: Unterhalb der Subetagen und Netzwerke des normalen Stadtniveaus befindet sich das Ver- und Entsorgungssystem: Wasser- und Abwasserleitungen, Energiezufuhr, vollautomatisches Container-Rohrsystem und dergleichen. Subplanetarisches Überlebens-System lautet der offizielle Name des Tiefbunkersystems, dem die so genannte 1000-Meter-Sohle vorbehalten ist, das allerdings auch gesondert gesicherte Anlagen in 2000 Metern Tiefe aufweist. Als Eingänge dienen massive Bauten und bunkerartige Gebäude, in denen Antigravschächte, Nottreppen und Notrutschen installiert sind.
 
Auf der 3000-Meter-Sohle sind die Energieversorgungsanlagen und Fabriken platziert – vor allem zur Nahrungsherstellung, aber auch zur Endmontage aus Halbfertigprodukten. Nachschub, Versorgung und auch Abtransport übernehmen automatisierte Frachtcontainerstrecken, die inzwischen allesamt auf robuste Käfigtransmitter-Technologie umgestellt sind. Bis zur 5000-Meter-Sohle reichen die passiven Notanlagen, die meist nicht in Tätigkeit sind und deshalb nahezu wartungsfrei bleiben. Die zur Verbindung notwendigen Antigrav- und Notschächte sowie Transmitter sind so versteckt angelegt, dass kein Unbefugter in die riesigen Speicherhallen und Depots eindringen kann – sie sind von vornherein für extreme Notfallsituationen angelegt und wurden nach dem Hyperimpedanz-Schock und der TRAITOR-Belagerung nochmals verbessert.
 
Die Nachwirkungen der Versetzung des Solsystems in die Anomalie – wahlweise auch eine alarmierende Art von Raum, Irr-Raum, Anarchischer Raum genannt – sind noch zu spüren. Die Naturgesetze scheinen sich langsam »einzupendeln«, und die Anzahl sowie Intensität der sonderbaren Phänomene – das Nirwana-Phänomen, die Gravoerratik, die Gravospaltung und ihre verschiedenen mentalen Seiten- und Nebenwirkungen – hat deutlich nachgelassen.
 
Die Experten vermuten, dass das Solsystem in einer ersten Phase der Versetzung gestaucht oder hyperphysikalisch verpackt wurde und dabei die äußeren Regionen »raumzeitlich in Richtung Sonne gepresst« wurden. Quasi ganz beseitigt ist inzwischen die daraus erwachsene Gefahr durch die bei der Versetzung des Solsystems teilweise ins Systeminnere verlagerten Brocken von Kuiper-Gürtel und Oort'scher Wolke. In dieser Hinsicht hat die LFT-Flotte in den Wochen seit der Versetzung Bemerkenswertes geleistet. Die Schiffe haben nach und nach den Einschlagshagel beendet, abstürzendes Gestein desintegriert sowie größere Objekte mit Traktorstrahlen in einen stabilen Orbit gezogen.
 
Ein besonderer Schock ist nach wie vor, dass viele 10.000 Kinder und Jugendliche von den Auguren alias Sayporanern entführt wurden oder wie immer man es bezeichnen möchte – inzwischen steht die genaue Zahl fest: 123.520!
 
Fest steht ebenfalls , dass die unbekannten Außerirdischen schon seit etwa April 1467 NGZ auf Terra, Luna, Venus und Mars in Erscheinung getreten sind. Sie haben sich die längste Zeit völlig unverfänglich verhalten. Erst während der letzten Wochen vor der Versetzung des Solsystems fielen sie auf, weil sie mit Jugendlichen in Kontakt traten. In Kommunikationsnetzen wurden sie wegen ihres seltsamen Benehmens als Auguren bezeichnet …


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