Atlan - Extrasinn aus Atlan - Traversan-Heft 12          Extrasinn - Übersicht

Wie geht es weiter?

von Hubert Haensel

Atlan hat also seine Gegenwart erreicht, obwohl die Zeitmaschine auf Traversan zerstört wurde. Der Preis, den er für die Rückkehr zahlen mußte, ist zum Glück weit geringer ausgefallen, als anfangs befürchtet. Vom Jahr 12.402 da Ark arkonidischer Zeitrechnung zurück in die Gegenwart 1290 NGZ, das sind mehr als zehn Jahrtausende praller galaktischer Geschichte, geprägt von Kriegen und Zerstörung, vom Niedergang ehedem bedeutender Zivilisationen, aber auch dem Auftauchen bis dahin unbekannter Völker auf der kosmischen Bühne.
Man kann die Zeit überlisten - nur anhalten kann sie niemand. Ohnehin reichen humanoide Sinne nicht aus, zu erklären, was das Phänomen Zeit wirklich ist.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - diese Begriffe stehen für drei willkürlich gewählte Zustandsformen eines übergeordneten Ganzen, das zu verstehen kausale Logik nicht ausreicht. Geburt und Tod eines jeden Individuums, sogar Urknall und Ende des Universums, alles scheint gleichzeitig und gleichberechtigt nebeneinander zu existieren, quasi die Software der Geschichte, gespeichert und immer in jedem beliebigen Punkt abrufbar.
Die Frage ist, was kann wirklich verändert werden? Sind Zeitschleifen und Paradoxien, die im Zusammenhang mit körperlichen Zeitreisen unabwendbar scheinen, schon vorprogrammiert, also zwangsläufig, oder verändern sie tatsächlich die potentielle Zukunft?
Wissenschaftliche Erklärungsversuche gingen und gehen dahin, daß alles, was wir tun oder unterlassen, unsere persönliche Zeitschiene prägt, mit Auswirkungen auf die Gesamtheit. In letzter Konsequenz würde dieser Gedanke darauf hinauslaufen, die Welt an sich als irreal zu brandmarken, sie nur als eine gigantische virtuelle Vision zu verstehen, die auf dem Weg zur optimalen Entropie unentwegt im Umbruch befindlich ist.
Schon der griechische Philosoph Platon sprach davon, daß die sichtbare Welt kein Sein sei, sondern nur ein ständiges Werden zum Sein hin, und daß es von ihr kein difinitives Wissen gibt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Atlan ist viel zu sehr der zupackende Praktiker, als daß er sich momentan mit solchen Erklärungsversuchen herumschlagen würde. Er hat anderes zu tun, als isch über Zeitprobleme den Kopf zu zerbrechen, schließlich ist er einer der wenigen Zellaktivatorträger, die der Milchstraße in dieser Epoche schwerer Prüfungen verblieben sind.
Für die Besatzung und die Wissenschaftler des GILGAMESCH-Moduls RICO ist nur kurze Zeit vergangen - Atlan hat währenddessen mehr als zehntausend Jahre zum zweiten Mal durchlebt. Oder verschlafen? Beides ist richtig, aber daran dachte eigentlich kaum jemand, als der Unsterbliche aus seiner Kuppel geborgen wurde.
Er ist inzwischen 23.391 Jahre alt. Trotzdem erscheint es ihm, als wäre Tamarenas Tod erst vor wenigen Tagen gewesen. Das ist der Fluch des photographischen Gedächtnisses: Es hält nicht nur die angenehmen, sondern auch die traurigen Augenblicke gnadenlos fest, und vor allem Wunden brechen immer wieder auf. Atlan hat schon viele geliebte Menschen verloren, und mit jedem neuen Verlust scheint der Trennungsschmerz stärker zu werden. Die Erfahrung stumpft nicht ab, macht nicht gelassener - das ist ein Vorurteil, das sich wohl nie beseitigen läßt -, sie macht eher noch empfindlicher.
Aber schon stürzen die aktuellen Probleme der Milchstraße wieder auf ihn ein: Die politische Situation scheint verfahren, die Völker leiden nach wie vor unter dem Schock, den die Tolkander ausgelöst haben. Blühende Welten wurden ausgelöscht, Piraterie und Faustrecht bestimmen in manchen Sektoren das Bild. Innerhalb des Kristallimperiums ist Atlan nach wie vor eine unerwünschte Person, für Imperator Bostich gilt er weiterhin als Staatsfeind. Doch es gibt auch positive Beispiele wie die Solmothen, die aus eigenem Antrieb zu ihrer Friedensmission aufgebrochen sind.
Der Wahlkampf auf Terra befindet sich inzwischen in der heißen Endphase. Atlan will mit der RICO als Beobachter ins Sonnensystem fliegen. Zudem ist da noch Mhogena, der Maahkähnliche, der schwer verwundet, die Galaktiker um Hilfe gegen die Guan a Var gebeten hat. Ich glaube nicht, daß Mhogena in der gegenwärtigen Phase mit Hilfe rechnen kann. Vielleicht lassen sich die Maahks erweichen, aber darüber hinaus? Dann hat Atlan eine neue Sorge. Er muß dem 5. Boten von Thoregon gegen die Gefahr der Sonnenwürmer und die Algiotischen Wanderer beistehen, weil Perry Rhodan nicht greifbar ist.
Soweit es Atlan in den ersten Stunden nach seiner Rückkehr auf die RICO überprüfen konnte, haben die Jahre seiner doppelten Existenz - auf Larsaf III und auf Traversan - keine Spuren in der Historie hinterlassen. Die zunächst befürchteten Probleme oder gar Zeitparadoxon sind ausgeblieben.
Alle Bedenken haben sich als unnötig erwiesen. Sowohl in bezug auf das Gen-Kode-Destruktionsfeld der Laren, das auf die alten Zellaktivatoren eingewirkt hatte, als auch hinsichtlich des von den Kosmokraten ausgesprochenen Banns, der seinerzeit Atlan und Perry Rhodan aus der Milchstraße vertrieb.
Das alles hat der Unsterbliche wohlbehalten überstanden. Weil er für Camelot und die Menschheit und damit für die Geschicke großer Bereiche der Galaxis Verantwortung trägt. Sein Pflichtgefühl hat ihn zehntausend Jahren hindurch immer wieder vorwärts getrieben.
Es gibt viel zu erzählen.
Aber hier und heute ist nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.