von Hubert Haensel
"Geld verdirbt den Charakter." Diese altterranische Weisheit trifft ganz besonders für den Niedergang des Großen Imperiums zu. Wer über
genügend Chronners verfügt - und zudem bereit ist, sie auch auszugeben -, dem stehen alle Türen offen, der hat kaum Probleme, bis in
die höchsten Kreise vorzudringen.
Sonnenkur Pyrius Bit hat seinen geldgierigen Charakter längst offenbart. Wer seines eigenen Vorteils wegen Raumschiffsbesatzungen
in den Tod schickt und nicht einmal davor zurückschreckt, einen blühenden Planeten mitsamt seiner in die Milliarden gehenden
Bevölkerung auszulöschen, der verdient es nicht, mit Samthandschuhen angefaßt zu werden. Atlan hat keineswegs Skrupel, Pyrius Bit
so zu behandeln, wie er es verdient. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", auch die arkonidische Religion kennt einen solchen
Verhaltenskodex, der tief in die Geschichte zurückreicht, in eine Zeit, als jeder noch auf seinen Nächsten angeweisen war und Verstöße
gegen die ungeschriebenen Regeln des Zusammenlebens schwere Folgen nach sich zogen. Vor allem die abschreckende Wirkung war
es, die Verbrechen verhindern sollte.
Die Geschichte kennt viele Größenwahnsinnige in hohen Ämtern, doch gescheitert sind die letzten Endes alle. Man kann trefflich
darüber streiten, ob Pyrius Bit in die Kategorie "größenwahnsinnig" einzuordnen ist oder nicht - auf jeden Fall war er bereit,
unzählige Leben seines eigenen materiellen Vorteils wegen zu opfern.
Die Quittung dafür wurde ihm nun von Atlan präsentiert, doch zweifle ich daran, daß Bit das Geschehen wirklich zur Mahnung gereicht.
Der Sonnenkur ist ein fetter und degenerierter Arkonide der übelsten Kategorie, der nie und nimmer aus seinen Fehlern lernen wird.
Im Gegenteil. Die Art und Weise, wie Atlan ihm mitgespielt hat, dürfte Pyrius Bit endgültig zu einem unversöhnlichen Feind
Traversans gemacht haben, der nichts unversucht läßt, um seine eigene schäbige Haut zu retten.
Eben noch die Made im Speck, die mit 30 Prozent höherer Steuerlast einen hübschen kleinen Planeten voller Sklavinnen als
Altersruhesitz finanzieren wollte, hat Pyrius Bit einen tiefen Fall hinter sich und steht nun gedemütigt und mit leeren Händen da. Er hat
Atlan und seinen Begleitern die zu allem entschlossenen Selbstmordattentäter geglaubt und den Stützpunkt Bry-24 in kürzester Zeit
evakuieren lassen.
108 Kriegsschiffe sind zurückgeblieben und wurden von traversanischen Raumfahrern bemannt. Gleichzeitig hat Atlan 30 Millionen
Chronners erbeutet, die aus Bits gehorteten Schätzen stammen. Atlan betrachtet sie als Kriegskasse, die Traversan hoffentlich einige
Türen öffnen wird. Denn niemand will wirklich eine Auseinandersetzung mit dem Imperium.
Der erste Beweis, daß Pyrius Bit sich noch lange nicht geschlagen gibt (jedes Raubtier, das sich in die Enge gedrängt sieht, greift an),
ist seine Rückkehr mit zehn zu Hilfe gerufenen Schlachtschiffen. Atlan blieb keine andere Wahl, als den Stützpunkt und den Planeten
mit Hilfe der Arkonbombe zu zerstören - einer Bombe wohlgemerkt, die Pyrius Bit zuvor Traversan zugedacht hatte, nur eben mit dem
Unterschied, daß Bry-24 ein völlig lebloser Planet mit Stickstoffatmosphäre war und nicht wie Traversan von 1,4 Milliarden
Arkoniden bewohnt.
Der Sonnenkur muß annehmen, daß auch seine 108 Kriegsschiffe in den atomaren Gluten vernichtet wurden. Ihm bleibt nun keine
andere Wahl, als nach Arkon zurückzukehren und dem Oberbeschaffungsmeister Kemarol da Andeck oder gar dem Imperator selbst sein
Versagen einzugestehen.
Pyrius Bits Hals steckt tief in der Schlinge. Er kann es drehen und wenden, wie er will, seine Zeit als Sonnenkur das Brysch-Sektors ist
abgelaufen, und er kann sich überglücklich schätzen, wenn er für den Rest seines Lebens nicht auf eine der verrufenen Bergwerkswelten
am Rand des Tai Ark'Tussan verbannt wird.
Vielleicht erhält er auch eine Chance, seine Fehler auszubügeln. Wer weiß schon so genau, was im Kopf des Imperators vorgeht? Ich
kann nicht ausschließen, daß die beginnende Dekadenz einen köstlichen Zeitvertreib und ein faszinierendes Spiel darin sieht, Pyrius Bit
nochmals auf die Traversaner loszulassen. Dann wird er mit dem Haß des Mannes zuschlagen, der sich um sein Lebenswerk betrogen
sieht. Diesem drohenden Vernichtungsfeldzug wird auch die inzwischen auf 143 Kampfraumschiffe angewachsene traversanische Flotte
nicht standhalten können.
Ist die Vorstellung eines solchen Szenerios nur die Ausgeburt übergroßen Pessimismus? Atlan kennt aus der Zukunft einen blühenden
Planeten Traversan; der gigantische Krater im Westen der Hauptstadt Erican, im Jahr 1290 NGZ die bevorzugte Wohngegend,
entstand durch den Absturz eines imperialen Schlachtschiffs, der große Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte. Aber wer kann
wirklich behaupten, daß Atlans Eingreifen die Zeitschiene nicht bereits verändert hat? Vielleicht wird es das Traversan, das er aus
seiner Zukunft kennt, nicht mehr geben. Dann darf er nicht untätig bleiben und darauf hoffen, daß alle Probleme sich von selbst in
Wohlgefallen auflösen.
Im Umfeld des Imperators wird die Entscheidung über das Schicksal von Traversan fallen, wie auch immer diese Entscheidung aussehen
mag. Um die sichere Vernichtung des Planeten zu verhindern, müssen wir nach Arkon vorstoßen.
Pyrius Bit wurde in Mißkredit gebracht. Aber das allein genügt noch nicht. Er darf auch keine Gelegenheit erhalten, seinen Haß an
Traversan abzureagieren.
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