Aberglaube …


Kommentarnummer: 1256

Heftnummer: 2132

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Wenn man sich als Außenstehender in Wassermal mit offenen Augen umsieht, werden die meisten Wesen wohl die Stirn runzeln oder die ihrer Anatomie entsprechende Geste zeigen, sofern die Reaktion nicht noch drastischer ausfällt. Vieles erweist sich bei näherer Betrachtung als »sonderbar«, um es einmal dezent zu formulieren. Geomantie und numerologische Zahlenspielereien - um einen Aspekt herauszugreifen - wollen sich nicht so recht mit einer galaktischen Zivilisation vereinbaren ... Da gibt es einerseits die weit über ihre Sterneninsel hinaus bekannten Pangalaktischen Statistiker. Ihre Wissensschätze gelten als legendär; wie eine erste »Sichtung« der Kosmologischen Mediotheken zeigte, offensichtlich sogar zu Recht. Wissen aus den Weiten des Universums, seit Jahrtausenden oder Jahrzehntausenden angesammelt und - angeblich - ohne jedes System »abgeladen«. Wissen, das Geschöpfe aus allen möglichen Galaxien anlockt, in einem Maß sogar, dass die Ströme der Neugierigen kanalisiert und über ein »Lotteriesystem« ausgesiebt werden müssen. Es gibt eine für die äußere Sicherheit verantwortliche Macht, die sich »Guter Geist von Wassermal« nennt. Die wahre Natur dieses Wesens lässt aber mehr Fragen als Antworten zurück. Nicht zuletzt die »Prüfungsmethode«, um einen passenden »Gemahl« zu finden, erscheint überaus dubios. Und es fragt sich, inwieweit der »Geist« nicht sogar schon bei der LOTTERIE seine Finger im Spiel hatte.
 
Möglicherweise gab es ja nicht erst bei der nachträglich genehmigten Einreise der siebenköpfigen Gruppe von der SOL eine gewisse Manipulation … Schließlich sind.da die Prinzenkrieger und ihr Volk der Pfauchonen, zuständig für die innere Sicherheit. Solange man ihnen aus der Ferne oder nur in ihrer Eigenschaft als Polizeitruppe auf dem Planeten Vision begegnet, mögen sie ja akzeptabel sein. Doch je intensiver man sich mit ihnen, ihrer Kultur und vor allem ihrem Aberglauben beschäftigt, desto intensiver wird zweifellos das Stirnrunzeln. Soweit uns bekannt ist, haben sie ihre Aufgabe als Schutzmacht in den letzten Jahrtausenden offensichtlich im Sinne des Erfinders erfüllt. Es mag sogar sein, dass für eine solche auf sehr lange Zeiträume angelegte Funktion wirklich eine extrem starre, auf Begriffe wie Traditionsbewusstsein und Ehre aufgebaute Gesellschaft notwendig ist. Doch wie vereinbart sich mit alldem das abergläubische Element ? Immerhin ist es nicht nur ein »belächelter Spleen«, sondern es dreht sich um Dinge, die über Leben und Tod entscheiden !. Im Normalfall werden Außenstehende von dieser Seite der Pfauchonen nicht viel mitbekommen. Die nach Vision gereisten Besucher erleben sie bestenfalls als Polizisten und haben sicher vordringlich die Wissenssuche in den Mediotheken im Sinn.
 
Auch einen Assassinen, wie ihn Atlan und die anderen an Bord der Malischen Dschunke in Aktion erlebten, werden wohl die wenigsten in dieser Weise zu Gesicht bekommen. Nicht einmal die übrigen in Wassermal lebenden Intelligenzen haben sonderlich viel mit den Pfauchonen oder gar den Prinzenkriegern selbst zu tun. Solange sie friedlich ihren Geschäften nachgehen, die bestehende Ordnung nicht gefährden oder bedrohen, dürften die direkten Berührungspunkte eher gering sein. Selbst jene Pfauchonen, die an Bord ihrer Raumschiffe Dienst tun, umgeben von Technik, künstlichem Licht und all diesen Dingen einer galaktischen Zivilisation, unterscheiden sich vermutlich nochmals sehr von jenen, die ausschließlich auf den Pfauchonenwelten wohnen und diese unter Umständen nie in ihrem Leben verlassen. Letztere verharren wie ihre Herrscher, die Prinzenkrieger und deren Hofstaat selbst, in einem Glaubenssystem, das - bei aller Offenheit und Unvoreingenommenheit - mit »finsteres Mittelalter« wohl ganz treffend umschrieben wird. Oder ist der Einblick in diese Kultur nicht intensiv genug, um sich ein Urteil bilden zu können ? Steckt vielleicht viel mehr hinter dem Zahlenglauben und all dem Drum und Dran ? Fest steht, dass die Prinzenkrieger und ihr Volk in extremer Weise auf die neun Pangalaktischen Statistiker fixiert sind. Die neun Pangalaktischen Statistiker stehen im Zentrum der pfauchonischen Religion. Sie sind die Unsterblichen Götter, die in einem mythischen Jenseits über die Seelen der verstorbenen Pfauchonen wachen. Ihr ganzes Leben, der gesamte Sinn ihrer Existenz orientiert sich an diesen fremden Geschöpfen in ihren Türmen und der von ihnen an die Pfauchonen delegierten Aufgabe.
 
Die pfauchonische Religion lehrt ein unendliches Leben nach dem Tod, in dem die zu Lebzeiten erworbene Ehre den Stand im Jenseits bestimmt. Einem Pfauchonen darf alles passieren, aber nicht der Verlust seiner Ehre. Denn dies wäre ein Verlust für die Ewigkeit. Ist eine Aufgabe, ein Verhalten als eine Frage derEhredefiniert, wird jeder Pfauchone unter Einsatz seines Lebens versuchen, die Aufgabe zu erfüllen. Die Prinzenkrieger haben in ferner Vergangenheit den Schutz von Wassermal als eine solche Aufgabe der Ehre übernommen, und das ganze Volk ist daran auf alle Zeiten gebunden. Sie sind die Schutzmacht, ihre Anwesenheit garantiert den Zivilisationen, den verehrten Statistikern und ihren extragalaktischen Besuchern Sicherheit und Frieden. Gäbe es einen Feind, der Krieg in die Galaxis zu tragen versuchte, die Pfauchonen würden bis zum letzten Angehörigen ihres Volkes für Wassermal und seine Zivilisationen kämpfen. Dies ist ihre uralte Aufgabe, die Bestimmung jedes einzelnen Pfauchonen, und es kann keine Ausnahme geben. Und das seit Jahrtausenden, Jahrzehntausenden. Vielleicht wäre es verwunderlicher, wenn sich in solch einer langen Zeit keine Ritualisierung herausgebildet hätte, keine Erstarrung in Dingen, die dem Außenstehenden als reiner Humbug erscheinen muss. Hochtechnologie alleine ist leider kein Argument gegen Irrationalität in welcher Form auch immer ...


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