von Kurt Mahr
Der Kommunikationsrechner
Der dritte Peripherierechner, im Blockdiagramm mit "Datenverkehr" bezeichnet, ist, was man in der heutigen Technik
(Stand: September 1974) einen Kommunikations-Prozessor nennt. Man muß bedenken, daß ein großes Raumschiff
sich oft in die Lage versetzt sieht, Nachrichten (=Daten) aus der Umwelt abzufangen und simultan Nachrichten abzustrahlen.
Dies geschieht zumeist über Hyperfunk. Aus Gründen der Kostenwirksamkeit führt jedes Fahrzeug nur eine beschränkte
Anzahl (meistens nur eines) von Hyperfunk-Sende-und-Empfangsgeräten an Bord. Über dieses Gerät wickelt sich sämtlicher
Verkehr ab. Dabei muß es möglich sein, daß zur selben Zeit mehrere, aus verschiedenen Quellen kommende Nachrichten
aufzufangen und obendrein noch mehrere Nachrichten gleichzeitig selbst abzustrahlen. So ist es zum Beispiel denkbar, daß der
Kommandant des Schiffes mit seinem Vorgesetzten im Flottenhauptquartier spricht, während gleichzeitig der Erste Ingenieur
von der Erde aus einige technische Daten anfordert und der Chef-Logistiker den vorab stehenden Zielplaneten anruft, um
sicherzustellen, daß dort genügend Mengen an Treibstoff und Proviant bereitgehalten werden. Dieses Durcheinander von
ein- und ausgehenden Meldungen, Nachrichten, Signalen und Daten muß kontrolliert werden. Das ist die Aufgabe des
Kommunikationsrechners. Er sorgt dafür, daß verschiedene Datenströme nicht miteinander vermischt werden, daß sie
nach dem Rang ihrer Priorität weitergeleitet werden, daß sie, wenn Geheimhaltungsvorschriften anzuwenden sind, auf wirksame
Art und Weise verschlüsselt wwerden und/oder zerhackt werden, und vieles andere mehr. Nicht zuletzt ist der
Kommunikationsrechner auch für die Verarbeitung der Daten verantwortlich, die die Ortungs- und Testgeräte des
Raumschiffs ständig erzeugen. Er steht diesen Daten jedoch unkritisch gegenüber. Sie werden auf dem schnellsten Wege an
den Gefahrenrechner weitergeleitet, der sie zu prüfen hat.
Im Gegensatz zu Autopilot und Gefahrenrechner ist der Kommunikationsrechner umprogrammierbar. Ein Beispiel: Ein
Explorer-Raumschiff hat soeben einen Wust von Daten gesammelt, der sofort abgestrahlt werden muß. In diesem Falle
läßt sich der Kommunikationsrechner so programmieren, daß er vorübergehend den Hypersender ausschließlich für die
Übertragung der wichtigen Daten zuläßt und alle anderen Funktionen, zum Beispiel die des Empfangens, für diesen Zeitraum
unterbindet. Auch der Kommunikationsrechner ist abfragbar und abschaltbar.
Der Logistikrechner
Die vierte Peripherie, auf dem Blockdiagramm mit "Logistik" bezeichnet und als programmierbare Datenendstelle (= Terminal)
dargestellt, ist im Vergleich zu den drei vorigen ein banales Gerät. Es dient den Logistikern zur Buchführung. Es ist klar, daß
an Bord eines Raumschiffs mit etwa mehreren tausend Mann Besatzung auch während des Fluges Buch geführt werden muß.
Treibstoff-, Proviant-, Ersatzteilverbrauch und andere Dinge müssen ständig kontrolliert werden. Dieser Aufgabe widmen sich
die Logistiker. Der fortgeschrittenen Technologie entsprechend, entledigen sie sich ihrer nicht mehr mit Papier, Bleistift und
Rechenschieber, sondern führen ihre Bücher mit Hilfe des Bordrechners, an den der aus mehreren programmierbaren Terminals
bestehende Logistikrechner direkt angeschlossen ist.
Der Informationsrechner
Das fünfte Peripheriegerät, auf dem Diagramm mit "Allgemeine Information" bezeichnet und wiederum als programmierbare
Datenendstelle dargestellt, ist von allen Peripherien das einzige Gerät, das strategisch genannt werden kann, während die vier
anderen als taktisch zu bezeichnen sind. Es dient keineswegs dem Zweck, ein wissensdurstiges Besatzungsmitglied darüber zu
informieren, an welchen Tag Abraham Lincoln geboren wurde - obwohl es diese Frage mühelos beantworten könnte. Vielmehr
hat es hauptsächlich die Aufgabe, die Schiffsleitung zu beraten und ihr bei der Fassung von Entschlüssen behilflich zu sein.
Es ist
unschwer vorherzusehen, daß bis zum 35. Jahrhundert die Methoden der Simulation bis zu einer Wirksamkeit entwickelt worden
sind, die wir uns heute (Stand: September 1974) kaum vorstellen können. Die Simulation jedoch ist das wichtigste Werkzeug des
Strategen. Er sieht sich einer kritischen Lage gegenüber, wie etwa der Kommandant eines Raumschiffs, der aufgrund eines Befehls
gezwungen ist, in einen vom Feind beherrschten und kontrollierten Raumsektor einzufliegen. Sein Kurs ist in etwa vorausbestimmt,
eine gewisse Toleranz ist ihm jedoch belassen. Wie kann er diese Toleranz zu seinem Vorteil benützen? Er baut sich ein Modell
des feindlichen Raumsektors. Feindliche Stützpunkte, Orterstationen, Flottenkonzentrationen usw. werden eingetragen. Ein
genauer Kurs des eigenen Schiffs wird vorgeschrieben. Wann ist auf diesem Kurs mit der ersten Entdeckung durch den Feind,
mit der ersten Feindberührung zu rechnen? In welcher Stärke wird der Feind auftreten? Der Informationsrechner bearbeitet das
Modell und gibt Antworten auf die gestellten Fragen. Die Antworten befriedigen nicht, also muß einiges an dem Modell geändert
werden. Zum Beispiel die Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes, die Länge der Linearflugetappen, einige Kursparameter. Das Modell
wird von neuem durchgerechnet. Die Antworten sind befriedigender als beim vorigen Mal. Sind sie die Bestmöglichen? Der
Informationsrechner selbst wandelt alle Parameter, die wandelbar sind, nach einem gewissen Schema ab. Schließlich teilt er dem
Kommandanten mit, unter welchen Bedingungen das einzugehende Risiko am geringsten ist, und er läßt ihn auch wissen, welches
Vertrauen er, der Rechner selbst, in die Richtigkeit seiner Aussage setzt. Das, dürfen wir annehmen, ist die Hauptaufgabe des
Informationsrechners. Er ist in höchstem Maße konservativ, kann umprogrammiert und abgeschaltet werden und dient den Offizieren
der Schiffsführung als positronischer Gesprächspartner, dessen Intelligenz und Geschwindigkeit sie sich beim Treffen wichtiger
Entscheidungen zunutze machen.
Unter den Online-Speichern des Informationsrechners muß man sich Speichergeräte vorstellen, die ständig über eigene Leitungen
mit dem Bordrechnern in Verbindung stehen und zu jeder beliebigen Zeit abgefragt werden können. Sie müssen von bedeutendem
Umfang sein, da die Bewältigung kosmonautischer Probleme ein ungeheures Wissensgut erfordert, das in den Speichern ständig
greifbar sein muß.
Von Zeit zu Zeit wird es nötig werden, die Speicher zum Teil auszuräumen. Wir sprachen davon, daß zum Beispiel der Autopilot,
und natürlich auch sämtliche übrigen Peripherierechner, über ihre Tätigkeiten genau buchführen und diese Buchführung in den
Online-Speichern hinterlegen. Die Autopiloten-Daten eines bestimmten Fluges müssen jedoch nach Beendigung des Fluges
nicht mehr unbedingt sofort greifbar sein. Sie können den Online-Speichern entnommen werden, so daß dort neuer
Speicherraum entsteht. Sie wandern ins Archiv, das zum Beispiel vom Bordrechner bei Bedarf ebenfalls
abgegriffen werden kann, ohne jedoch mit dem Rechner in ständiger Verbindung stehen zu müssen.
Das Interface - (Die Schnittstelle)
Das Interface - ich (also Kurt Mahr 1974) kenne leider kein deutsches Wort, das dieses Gerät adäquat beschreibt - sorgt
dafür, daß der Bordrechner als zentraler Hauptrechner, der von so vielen Peripheriegeräten gleichzeitig angesprochen wird, nicht
in Verwirrung gerät. Es
sortiert die einzelnen Datenströme nach Priorität und leitet sie dem Bordrechner zu. So ist es zum Beispiel selbstverständlich,
daß ein Katastrophensignal des Gefahrenrechners vor allen anderen Daten den Vorrang hat, und damit zuerst in den Bordrechner
gelangt, obwohl der Logistiker über den Logistikrechner viel früher darum gebeten hatte, daß man ihm mitteile, wieviel
Treibstoff noch in den Tanks vorhanden sei.
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