Das Positive vorab: Es gibt echten Handlungsfortschritt und PR Neo schlägt weiterhin eine ganz andere Richtung ein als die klassische Serie. Außerdem werden interessante Andeutungen gemacht (Cape Canaveral). Das finde ich gut - aber der Roman gefällt mir gar nicht.
Bis zum vierten Band hat sich die Neo-Serie immer weiter gesteigert. Seit Band fünf geht es leider stetig bergab. Band sieben ist in meinen Augen der bisherige Tiefpunkt. Die etwas wirre Story strotzt nur so vor Logik-Bugs, unglaublicher Naivität und unerträglichen Klischees. Rhodan und Bull lassen ihre Gefährten im Stich - schlimmer noch: Sie lassen den Schutzschirmgenerator zurück, also das einzige verbliebene Machtinstrument, dem sie ihre Unangreifbarkeit verdanken. Glauben sie, das Versteck des Generators sei sicher? Lächerlich! Was wollen sie mit ihrer Flucht überhaupt bezwecken? Wohin wollen sie fliehen und was glaubten sie nach der Flucht noch ausrichten zu können? Die Antwort ist einfach: Sie mussten sich durch das "Mutantenkorps" retten lassen. Einen anderen Sinn hat diese Aktion nicht. Im Grunde hätten Rhodan und Bull einfach in Terrania zurückbleiben und sich festnehmen lassen können. Von der Existenz der Mutanten wussten sie ja nichts. Der Effekt wäre derselbe gewesen, denn auch Bai Juns Seitenwechsel stand wohl von vornherein fest.
Glaubwürdig ist all das natürlich nicht. Warum wirft Bai Jun plötzlich all seine Überzeugungen über Bord? Gut, seine Zweifel wurden schon seit längerem vorbereitet. Aber seine jetzige Aktion kommt zu plötzlich und passt weder zur bisherigen Charakterschilderung noch zur Situation. Wie glaubwürdig ist es, dass sich ein chinesischer General von seinem Staat lossagt? Welche Erfolgsaussichten konnte sich Bai Jun ausrechnen (schließlich hat er den Schutzschirmgenerator nicht)? Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass alle Soldaten seiner Truppe widerspruchslos mitspielen? Auf diese Weise degeneriert eine interessante und starke Nebenfigur zum bloßen Mitläufer Rhodans. Bai Jun hält die x-te pathetische Rede der Neo-Serie und glaubt offenbar wirklich, er könne mit seiner Wahnsinnstat durchkommen. Schade. Darja kommt auf die geniale Idee, Bai Jun zu erschießen. Eine tolle Aktion, wenn es doch darum geht, versteckt zu bleiben und ja nicht die Aufmerksamkeit der Chinesen auf das Versteck des Schutzschirmgenerators zu lenken!
Bully bastelt in allerkürzester Zeit aus etwas Schrott, einem arkonidischen Triebwerk und Spucke ein Fluggerät zusammen, mit dem man innerhalb eines knappen Tages von der Gobi nach Australien fliegen kann. McGuyver würde vor Neid erblassen! Rhodan kommt nicht auf die Idee, den deaktivierten Schutzschirm wieder aufzubauen - einfach mit kleinerem Durchmesser, um die Pilger zu retten und gleichzeitig die Soldaten draußen zu halten. Thora, deren Erlebnisse auf der Venus sich zunächst wie Seitenschinderei mit sinnlosen Cliffhangern lesen, dann aber interessant werden, denkt nicht daran, Rico (ob das wohl ein Deckname Atlans ist?) zu fragen, wie er die letzten 10.000 Jahre überlebt hat. Suchen Thora und Crest denn nicht nach dem ewigen Leben? Da wäre so eine Frage doch naheliegend gewesen. Übrigens wird im Zusammenhang mit der Venusbasis von "Terkonit" gesprochen. Kleiner Patzer. Wenn schon, wäre "Arkonstahl" richtig gewesen. Terkonit ist eine terranische Erfindung. Oh, ich vergaß, wir befinden uns ja in einem alternativen Universum...
Rhodan und Bull treffen in Australien auf eine Art Lynchmob. Wieder so ein dummes Klischee. Warum sind in Australien überhaupt Steckbriefe Rhodans und Bulls im Umlauf? Warum halten Australier die beiden Amerikaner für "Verräter"? Wie kann es sein, dass praktisch die gesamte Bevölkerung des Kaffs aus Religionsfanatikern besteht oder aus Irren, die an mordgierige Bestien aus dem All glauben, aber keinen ordentlichen Knoten hinbekommen? Wie haben Tschubai und Adams Rhodan und Bull finden können? Warum haben das die internationalen Geheimdienste nicht noch schneller geschafft? Warum hat Ras plötzlich überhaupt keine Probleme mehr, über weite Strecken zu teleportieren und dabei andere Personen mitzunehmen - das ist ihm doch neulich noch so wahnsinnig schwer gefallen? Was wird eigentlich aus der PHÖNIX? Wird die zurückgelassen? Komplett mit dem tollen arkonidischen Triebwerk, das ja, wie die gesamte außerirdische Supertechnik, eigentlich um keinen Preis irgendeiner irdischen Macht in die Hände fallen sollte?
Sue findet die Nadel im Heuhaufen (Sid). Leider wurde das Balg nicht gegrillt. Nein, Sid hat die Explosion einer Fusionsbombe überlebt. Wenn ich die entsprechende Textstelle nicht völlig falsch gelesen habe, dann hat er sich in der Nähe des Explosionszentrums befunden. Wie konnte er das mit lediglich einem leichten Sonnenbrand überstehen?
Mercant schleicht sich mit falschem Bart mitten in eines der bestens abgesicherten Raumfahrtzentren der USA hinein. Diesen unfassbar dämlichen Trick hatten wir jetzt schon ein paarmal zu oft.
Und Crest wird vor Gericht gestellt. Das geschieht nicht ganz zu Unrecht. Natürlich nur, wenn man ignoriert, dass wohl nicht er, sondern Thora als Kommandantin der AETRON die Besatzung von Armstrong Base auf dem Gewissen hat. Aber mal ernsthaft. Den Regierungen der Welt, auch dem stereotypen Bösewicht Stanley Drummond muss doch klar sein: Außerirdische existieren. Sie verfügen über eine maßlos überlegene Technik. Sie haben die Erde entdeckt. Und angesichts dieses epochalen Ereignisses, dessen Konsequenzen noch gar nicht absehbar sind, hat man nichts Besseres zu tun, als die Außerirdischen anzugreifen und anschließend einen Schauprozess gegen den vermeintlich letzten Überlebenden zu führen? Denkt keiner daran, welche Auswirkungen der Erstkontakt hat? Mir fällt einfach keine höfliche Umschreibung für diesen groben Unfug ein.
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