von Hubert Haensel
Es gibt sie also immer noch, die überraschenden Entdeckungen, die für Galakto-Archäologen ebenso
bedeutungsvoll sind wie für Wissenschaftler, Techniker und Militärstrategen. Ungezählte Welten in der Milchstraße waren im Laufe
der wechselvollen Geschichte entweder einmal besiedelt, oder auf ihnen hatten Forschungsstationen oder militärische Außenposten
bestanden, von Anlagen zur Rohstoffgewinnung ganz zu schweigen. Jedes neu entdeckte Artefakt ist ein kleiner Mosaikstein
im gewaltigen Panorama vom Aufstieg und Fall galaktischer Zivilisationen. Die breite Öfffentlichkeit nimmt schon lange keine Notiz mehr
von den vielen Entdeckungen, die zwar nicht dazu zwingen, die Geschichtsdatenbänke umzuschreiben, die aber helfen, das Bild längst
vergangener bedeutungsvoller Epochen abzurunden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Tamanium der Lemurer betroffen ist
oder einfach nur eines der jüngeren Sternenreiche.Vergänglich sind sie alle.
Unglaubliche Details liegen wohl noch tief im Wüstensand vergraben; großtechnische Komplexe, einst auf festem Land errichtet, wurden
zum Refugium von Tiefseefischen oder fanden ihr grünes Grab unter üppigen wucherndem Dschungel. Die Natur bleibt immer Sieger, das
ist der Lauf der Zeit - Planeten verändern ebenso ihr Anlitz wie die Wesen, die sie irgendwann für kurze Zeit bevölkern.
Auf vielen unerschlossenen Planeten wurden Geheimnisse vermutet; auf Welten hingegen, die seit Tausenden von Jahren von
hochentwickelten Zivilisationen bewohnt sind, gibt es für Galakto-Archäologen keine Arbeit - glaubt man. Weil Urwälder längst
abgeholzt wurden; weil jedes noch so kleine Vorkommen an Bodenschätzen, wenn schon nicht ausgeplündert, so doch zumindest aus
dem Welraum detailliert vermessen ist; weil der Landverbrauch wie ein Krebsgeschwür um sich greift. Um so überraschender erscheinen
plötzliche Entdeckungen wie die auf Traversan, einer eher unbedeutenden Welt. Hier leben zwei Milliarden Kolonial-Arkoniden,
traditionell widerspenstige Leute, die nicht gerade als die besten Freunde von Imperator Bostich gelten. "Arkon ist weit", hat Fürst
Ligatem Atlan wissen lassen, und das interpretiere ich eindeutig als Einladung an den im Kristallimperium unerwünschten Unsterblichen.
Atlan mag sich längst als Terraner sehen - Beuteterraner, sage ich nach wie vor -, im Grunde seines Herzen wird er sich jedoch immer als
der stolze Arkonide fühlen, als der er aufwuchs. Mir kann der Unsterbliche in der Hinsicht nichts vormachen, ich kenne ihn besser als er
sich selbst.
Fürst Ligatems offene Sympathie war jedenfalls Grund genug für Kontakte zwischen Camelot und Traversan, die über eine rein
diplomatische Ebene hinausgehen. Und Camelot-Wissenschaftler haben nun mitten in der Yssods-Wüste eine verborgene Station entdeckt,
deren Existenz bis zum heutigen Tage niemand auch nur ahnte. Lediglich 1300 Kilometer liegt sie von der Hauptstadt Erican entfernt.
Für mich stellt sich die Frage, weshalb die aus fünf eiförmigen Kuppeln bestehende Station bislang unentdeckt blieb. Die perfekte
Isolierung der Bauten sowie ihre energetische Inaktivität können nur oberflächlich als Erklärung zufriedenstellen. Logisch erscheint allein
die Vermutung, daß die Station einschließlich des "Altars" im Zentrum erst vor geraumer Zeit auf Traversan materialisierte. Das bedeutet aber,
daß sie nicht so inaktiv sein kann, wie es den ersten Messungen zufolge schien. Leider will Atlan meine Warnungen nicht hören. Wozu
hat er mich, seinen Extrasinn, wenn er sein Leben dennoch mit unüberlegtem Handeln aufs Spiel setzt? Das ist der barbarische Einfluß
dieser Terraner
Die rätselhaften Schriftzeichen im Inneren der technischen Anlagen, mit denen niemand etwas anzufangen wußte, habe ich als einen längst
untergegangenen lemursichen bzw. alttefrodischen Dialekt erkannt. vor 50.000 Jahren waren die Lemurer, die "Erste Menschheit", die
beherrschende Macht in der Galaxis. Terra hieß damals noch Lemur. Doch das Sternenreich zerbrach unter der Invasion der von den Uleb
abstammenden Haluter, und ein Großteil der überlebenden Lemurer konnte sich nur durch die von ihnen errichteten Sonnentransmitter
in die Nachbargalaxis Andromeda retten. Aufgrund dieser Volkerwanderung wurden wiederum die Maahks aus ihrer angestammten
Heimat vertrieben
Der Dialekt läßt vermuten, daß die Station im Zusammenhang mit den Meistern der Insel steht, die aus den nach Andromeda geflohenen
Lemurern hervorgegangen sind. Gibt es also wertvolle Technik zu bergen? Atlan denkt zuallererst an Multidublikatoren, die von den MdI
im Kampf gegen die Terraner eingesetzt wurden - aber auch alle anderen Errrungenschaften, die zum Teil verlorengingen, besäßen für
Camelot einen immensen Wert. vor allem deshalb hat er sich sofort nach Traversan begeben.
Atlan ist keineswegs so blauäugig, anzunehmen, die Station würde ihm ihre Gehiemnisse auf Anhieb preisgeben. Trotzdem hegt er
insgeheim solche Hoffnungen. Ich weiß, daß sie sich nicht erfüllen können. Das wäre zu einfach - und so einfach war das Leben nie.
Soll ich ihn zurückhalten? Er würde nicht auf mich hören; er ist geradezu versessen darauf, das Geheimnis der Station zu ergründen
Egal auf welche Weise - diese fünf Kuppeln entstammen einer wechselvollen Vergangenheit. Und genau das ist es, was den unsterblichen
Arkoniden fasziniert.
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