Pseudo-Bewußtsein ?


Kommentarnummer: 1085

Heftnummer: 1961

Erschienen: 01.01.1970

Betrifft die Begriffe:

   

   

Autor:

Rainer Castor

Erster Teil:

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Schon die alten Arkoniden, von denen die Terraner Hypertechnik und Positroniken übernahmen, waren bemüht, ihren Rechnern das zu verleihen, was mit dem Begriff »Pseudo-Bewußtsein« ebenso treffend wie letztlich unvollkommen umschrieben wurde: Ziel sollte ein perfekter Diener sein, der im Rahmen seiner Basisprogrammierung einerseits möglichst eigenständig arbeitete, Eigeninitiative bis hin zu echter Kreativität entwickelte und lernfähig war, andererseits aber nicht zur Gefahr werden sollte. Der Hintergrund einer solchen Zielsetzung lag in der immensen Ausdehnung des Großen Imperiums begründet, dessen verwaltungstechnische, logistische und dergleichen Probleme einen Maßstab angenommen hatten, daß kein Arkonide mehr einen ausreichenden Überblick besaß und die weitreichenden Konsequenzen der Entscheidungen berücksichtigen konnte. Das Ergebnis der Bemühungen ist bekannt: Es führte letztlich zum Robotregenten, und wie Atlan zwischenzeitlich durch sein »Traversan-Abenteuer« erfahren mußte, war er durch seine Hilfestellung beim »Zauberhirn-Projekt« indirekt daran beteiligt, daß es zu jener Entwicklung kam, wie er sie als Vergangenheit kannte.
 
Ausgangspunkt hierbei war die berüchtigte Frage 112 von Joriega da Zogeen im Intranet-Diskussionsforum für ungeklärte Grundsatzfragen der Robotik auf Arkon III: Wie lassen sich auf positronischem Weg (schalttechnisch und/oder durch entsprechende Programmstrukturen) Prozesse simulieren, die den Bewußtseinsfunktionen eines Lebewesens gleichkommen, so daß es tatsächlich zur Ausbildung eines positronischen (Pseudo-)Bewußtseins kommt? Atlans Antwort, mit dem Wissen über Biopositroniken und Syntroniken des Jahres 1290 NGZ ausgestattet, lautete: Voraussetzung zur Simulation von Bewußtseinsprozessen und -funktionen ist eine weitgehende Angleichung an die in der Natur vorkommenden: Positroniken beinhalten in ihren von Hyperkristallen geprägten Prozessorstrukturen bislang nur Erscheinungen des unteren bis mittleren Spektralabschnitts des hyperenergetischen Spektrums. Um mehr leisten zu können, bedarf es des Einsatzes höherfrequenterer Bereiche, so daß eine vernetzt-holistische Feldmatrix erzeugt wird, die jener der Individualschwingungsmuster von Lebewesen äquivalent ist und intuitive Lösungsalgorithmen liefern kann. Wie wir aus der Geschichte wissen, wurde letztlich das Ziel weitgehend erreicht.
 
Leider erwies sich der Robotregent dann doch nicht als so lernfähig und intuitiv handelnd, wie die Konstrukteure ursprünglich gedacht hatten. Oder der Erste Wissenschaftler Epetran baute so viele Sicherheitsschaltungen auf Grund seiner Kenntnis der Zukunft ein (die er durch das Psychoverhör Perry Rhodans und Atlans gewann, als diese mit dem akonischen Zeitumformer in die Vergangenheit reisten, um dem durch akonische Manipulationen außer Kontrolle geratenen Mammutrechner den Garaus zu machen), daß herauskommen mußte, was herauskam. Einen Schritt weiter gingen noch die Mechanica-Echsenwesen, denen die Posbis ihre Existenz verdankten, die positronisch-biologischen Roboter: Bei ihnen gab es neben der Positronik als sogenannten Gefühlssektor den Plasmateil, der bei Individualrobotern zwar eine Steigerung hin zur »künstlichen Intelligenz« mit sich brachte, aber erst in großer Massierung quasi Eigenleben, Individualität, um nicht zu sagen das Bewußtsein eines echten Lebewesens entwickelte, ohne hierbei jedoch die mit der Positronik verbundenen Möglichkeiten einzubüßen. Das Zentralplasma der Hundertsonnenwelt oder Lunas Großrechner NATHAN seien hier stellvertretend genannt.
 
In dieser Sparte muß auch SENECA gezählt werden: Im Jahr 3540, als die SOL die Erde der Aphiliker verließ und den Heimflug vom Mahlstrom der Sterne zur Milchstraße antrat, galt ihr Zentralrechner, wie die einschlägigen Lexika ausführen, als die bis dahin vollkommenste Neuentwicklung auf dem Gebiet hyperschnell arbeitender Biopositroniken und war angeblich sogar NATHAN durchaus gleichwertig, trotz deutlich geringerer Ausmaße. In einem Volumen von 125.000 Kubikmetern war das ursprünglich von der Hundertsonnenwelt stammende Zellplasma untergebracht, und diese nervenähnliche Masse reichte aus, um echte Intelligenz zu entwickeln, stellte die eigentliche »Seele« des Rechners dar und ergab in Verbindung mit den positronischen Elementen sein »Pseudo-Bewußtsein«. Die Frage, ob hier noch von »Pseudo« (griechisch für »Unwahrheit, Täuschung«, also dem Schein nach) die Rede sein kann, wollte keiner der ursprünglichen Konstrukteure beantworten. Die Solaner, die viele Jahrhunderte an Bord des Generationenschiffes lebten, dürften sicher weniger zimperlich gewesen sein: Für sie besaß SENECA eine »Seele«, war Herz und Hirn der SOL, ein Freund, dem man sogar seine Schrullen nicht absprach (»Das wüßte ich aber ...«). Wie individuell und selbst-bewußt SENECA trotz seiner Basisprogramme letztlich ist, könnte Perry Rhodan unter Umständen rasch vor Augen geführt bekommen, dann nämlich, wenn eine syntronische Aufrüstung auf Camelot erwogen wird - und SENECA sich weigert, das mit sich machen zu lassen ...  
 
Apropos 1961:
Juri Gagarin umkreist als erster Mensch die Erde; die Berliner Mauer wird gebaut; mit der WOSTOK II startet die Sowjetunion eine zweites bemanntes Raumschiff; die X-15 stellt mit 5832 Stundenkilometern einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf; und mit dem Roman »Unternehmen Stardust« beginnt eine gewisse SF-Serie


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