Atlan - Extrasinn aus Atlan - Traversan-Heft 10          Extrasinn - Übersicht

Künstliche Intelligenz

von Hubert Haensel

Atlan erinnert sich noch gut an das Jahr 19.014 da Ark, in dem er als seine Erhabenheit Atlan Mascaren Gonozal VIII der 496. Imperator von Arkon wurde. Auf Terra schrieb man damals das Jahr 2044 christlicher Zeitrechnung. Vor dem Hintergrund der Druuf-Bedrohung waren die Bemühungen des Robotregenten von Arkon intensiv darauf ausgerichtet, endlich die galaktische Position der Erde in Erfahrung zu bringen.
Der Robotregent - ein gigantisches Rechengehirn auf Arkon III, von einer energetischen Kuppel geschützt, die sich über eine Fläche von zehntausend Quadratkilometern spannte. ... spannen wird, sollte es wohl richtig heißen, denn als Atlan nach dem Freispruch auf Celkar endlich Arkon III anfliegt, existiert diese gewaltige technische Meisterleistung erst in vagen Ansätzen. Dennoch fordert die Erkenntnis, daß die fortschreitende Degeneration der Arkoniden eines Tages das Tai Ark'Tussan auseinanderbrechen lassen wird, den Bau des Robotregenten heraus. Wenn sich künftige Imperatoren nur noch obskuren Vergnügungen und ihrem persönlichen Wohlergehen widmen und Politik als lästige Pflicht ansehen, wird die Zeit gekommen sein ...
Was heute noch niemand ahnt, kennt Atlan aus eigener Anschauung: Der Robotregent regiert das Imperium mit eiserner Hand. Er befehligt die Flotten Arkons und erstickt jeden Widerstand schon im Keim. Die Arkon-Planeten sind abgeriegelt, die herrschenden Dynastien zur Bedeutungslosigkeit verdammt.
Aber, wie gesagt, das sind Zukunftsvisionen. Oder auch Kapitel in den Geschichtsdatenbänken. Der zeitliche Standort des Betrachters entscheidet.
Atlan ist jedenfalls froh, Arkon III endlich erreicht zu haben. Nach wie vor hat die Rettung des Traversan-Systems Priorität, doch die Gelegenheit ist günstig, sich auch um den Steuerchip zu kümmern. Das Positronik-Forschungszentrum Katrok scheint der einzige Ort im Großen Imperium zu sein, an dem der defekte Steuerchip der Zeitmaschine schnell repariert werden kann. Die beiden Kristall-Rohlinge, die Atlan in den orbitalen Städten von Schemmenstern erworben hat, sollen die Rückkehr in die Zukunft ermöglichen.
Am 18. März 2044 erreichte ein terranischer Stoßtrupp Arkon III. Aber nicht einmal das Mutantenkorps fand eine Möglichkeit, gegen den Robotregenten vorzugehen, der unter seinem Wabenenergieschirm unangreifbar war. Perry Rhodan blieb letztlich keine andere Wahl, als eine Arkonbombe zu installieren, die den gesamten Planeten vernichten sollte. Doch die Bombe wurde entdeckt und unschädlich gemacht und der terranische Stoßtrupp von Kampfrobotern erbarmungslos gejagt. Bis Atlan sich dem Robotregenten entgegenstellte, sich als designierter Nachfolger des Imperators Gonozal VII zu erkennen gab und die Riesenpositronik zur Übergabe aufforderte ... Möglich war ihm das, weil die Konstrukteure des Robotregenten in dem gewaltigen Positronengehirn eine Sicherheitsschaltung installiert hatten, die es fähigen Arkoniden ermöglichte, die Herrschaft über das arkonidische Imperium wieder zu übernehmen.
Nun, von alldem kann noch keine Rede sein, als Atlan versucht, Zugang zum Forschungszentrum zu erhalten. Geld wird die Wissenschaftler von Katrok nicht beeindrucken, wohl aber Wissen. Und damit ist Atlan wahrlich gut ausgestattet, besser als mit seinem inzwischen doch arg geschrumpften Chronner-Guthaben. Der Unsterbliche hat eine Gratwanderung vor sich. Wieder einmal stellt er sich die Frage, welches Wissen er preisgeben darf, ohne den Lauf der Zukunft zu verändern. Das Diskussionsforum, in das er sich einschaltet, um über die Beantwortung offener Fragen gezielt die richtigen Kontakte zu knüpfen, läßt keine Fehlinterpretation zu: Das Vorhaben mit der Kodebezeichnung "Zauberhirn-Projekt" befaßt sich mit der Entwicklung eines positronischen Pseudo-Bewußtseins; hier sollen nicht nur die leistungsfähigsten Positroniken überhaupt entwickelt, sondern zugleich in die Lage versetzt werden, eigenständig intuitiv zu handeln, auf der Basis wirklicher Lernfähigkeit.
Arkon III ist die Rüstungswelt des Imperiums. Das Flottenzentralkommando unterhält hier bereits eine Großpositronik, die in dem späteren Robotregenten aufgehen wird. Ein großer Prozentsatz der anstehenden Aufgaben, die zudem stetig umfangreicher werden, soll künftig von dem Rechengehirn in Eigeninitiative erledigt werden, denn schon jetzt ist kein Arkonide mehr in der Lage, die Tragweite von Entscheidungen auch nur annähernd richtig zu beurteilen. Koordination und Überwachung des gewaltigen Sternenreichs haben längst Dimensionen angenommen, die auf althergebrachte Weise nicht mehr zu bewältigen sind.
Deshalb wird in Katrok begonnen, eine bewußtseinsähnliche Grundstruktur aufzubauen. Und genau die hier erzielten Ergebnisse werden später entscheidend für den Einsatz des Robotregenten sein.
Indem Atlan sich zur Simulation von Bewußtseinsprozessen durch intuitive Lösungsalgorithmen äußert, wird er - ungewollt - den Durchbruch der künstlichen Intelligenz fördern. Damit ist er indirekt an der späteren Machtposition des Robotregenten beteiligt.
Erweist er sich also einen Bärendienst?
Die Frage kann ich nicht beantworten. Weil mir die Informationen fehlen, zu beurteilen, wie die Entwicklung andernfalls verlaufen würde.
Vielleicht muß es einfach so sein, und hier schließt sich ein weiterer Kreis.
Die Frage sei erlaubt, ob wir alle nur Spielball der Zeit sind.